Eine der größten, wenn nicht die größte, WEG-geführte Tiefgarage in Bayern. 443 Stellplätze verteilt auf einer Ebene. Hier können Wege schnell lang werden - dies gilt sowohl für die Montage, aber auch später für den Strom.
Die Tiefgarage wird über einen eigenen Hausanschluss mit einer Absicherung von 3 x 200 A (138 kW) versorgt. Aufgrund der Größe wird der Strom über insgesamt 4 Technikräume verteilt. Neben Licht und Tor ist auch eine Rampenheizung zu versorgen. Vereinzelt wurden seitens des Bauträgers zudem Steckdosen an den Stellplätzen, die mit dem Gleichzeitigkeitsfaktor von 1 auch zum Laden vorgesehen waren, montiert. Formal weist der Hausanschluss keinerlei Reserven auf.
Schon im Zuge der Vorplanung wurde seitens der WEG eine Lastgangsmessung beauftragt. Hierbei zeigte sich, dass in der Regel von den 138 kW maximal 32 kW gleichzeitig genutzt wurden, d.h. rund 100 kW dauerhaft frei sind. Formal reicht dies für 9 weitere ungeregelte Wallboxen á 11 kW, d.h. 1 % der Stellplätze - ein Tropfen auf den heißen Stein.
Schnell war der WEG klar: Wenn hier in maßgebendem Umfang geladen werden soll, braucht es ein zukunftsfähiges Lastmanagement.
Die Tiefgarage wird als WEG-geführte Garage primär privat genutzt. Besonderheit ist allerdings, dass die Garage recht ländlich liegt. Rosenheim als nächste größere Stadt ist rund 25 km, München als Großstadt rund 70 km entfernt. Beides sind durchaus Ziele der Pendler:innen, insbesondere diese Fahrtwege sind prädestiniert für Elektroautos. Wir erwarten daher eher eine überdurchschnittliche Nutzung im Vergleich zu Tiefgaragen im urbanen Raum.
In einem ersten Schritt sollte der Hausanschluss so, wie er derzeit vorliegt, genutzt werden. Hierzu haben wir ein dynamisches Lastmanagement eingebaut, welches den Hausanschluss überwacht und so jederzeit die jeweils nicht in der Tiefgarage genutzte Leistung für die Elektromobilität nutzbar macht. Maximal sind so rund 130 kW nutzbar. Wir erwarten, dass hiermit ganz grob 130 Elektroautos ausreichend versorgbar sind.
In einem zweiten Schritt kann der Hausanschluss durch eine weitere Zuleitung auf 3 x 2 x 200 A erweitert werden. So wären ca. 260 kW für die Elektromobilität nutzbar und damit ein Ausbaugrad von mindestens 60 % erreichbar. Wir gehen zudem davon aus, dass bei derart hohen ladenden Autos die Statistik dazu führen wird, dass deutlich mehr Autos mit hoher Ladesicherheit versorgt werden können. Bei einem Ansatz der ansonsten notwendigen 0,5 kW/ Stellplatz würde dies sogar für eine vollständige Elektrifizierung aller Stellplätze genügen.
Sollte die in der Leistungsstufe 2 erreichbare Ladesicherheit wider Erwarten nicht genügen, muss über eine weitere zusätzliche Versorgung der Tiefgarage nachgedacht werden. Aber auch hier gilt: Die Anlage in der Tiefgarage an sich ist darauf vorbereitet.
Für die ersten beiden Leistungsstufen wird der Strom für die Elektromobilität über die Bestandskabel geleitet, welche den zentralen Hausanschluss mit den übrigen Technikräumen verbinden. Großer Vorteil: Die Bestandsressourcen werden genutzt. Über diese können wir maximal je 80 A zusätzlich zum Bestandsbedarf zu den dezentralen Technikräumen leiten. Von dort fließt der Strom dann ausgehend dieser Räume in die angrenzenden Bereiche. Wir nennen diese Verteilung und Regelung "Sektionsregelung". D.h. die Wallboxen, welche über einen Technikraum angeschlossen sind, werden auf maximal 80 A geregelt. Alle Wallboxen aller Sektionen sind dann auf 200 A abzüglich des TG-Verbrauchs limitiert.
Generell gilt: Die Grundverteilung innerhalb der Tiefgarage, welche in der Ausbaustufe 1 eingebaut werden muss, soll auch dem Endausbau entsprechen. Im hiesigen Beispiel wurden in den Sektionen klassische Unterverteiler gesetzt, welche jeweils rund 15 direkt angrenzende Stellplätze versorgen. Die Unterverteiler in der Garage sind mit 100 A-Kabeln untereinander verbunden.
In den ersten beiden Ausbaustufen sind die 3 Sektionen wie oben beschrieben auf je 80 A beschränkt. Will man in einer Endausbaustufe mehr Strom in den einzelnen Bereichen nutzen, müssen neue Kabel zu den Technikräumen gezogen werden. Die Sektionen können dann jeweils noch weiter aufgeschlüsselt werden (Vervielfältigung von Sektionen), so dass die stärkere Stromversorgung dann letztlich über 9 Sektionen á 80 A überall nutzbar wäre - ohne weiteren Umbau der Verteilung in der Tiefgarage selbst.
Frühjahr 2022: Die ersten Gespräche und Grobkonzeptionierungen starteten für uns im Frühjahr 2022. Nach kurzer Zeit hatten wir zusammen mit Vertretern der WEG und der Hausverwaltung ein gewünschtes Konzept erstellt.
Neben der Regelungstechnik liegt der Hauptaufwand eines Einbaus einer Ladeinfrastruktur in der Verkabelung selbst. Mit Elektro Weinl GmbH (Rosenheim) hatten wir schon erfolgreich eine Anlage zuvor umgesetzt und so freuten wir uns, eine weitere Anlage mit dem Team von Elektro Weinl umsetzen zu können.
Soll die Ladeinfrastruktur als Gemeinschaftsprojekt der WEG umgesetzt werden, erfordert dies eine qualifizierte 2/3-Mehrheit. Damit die Entscheidung auf der anstehenden Eigentümerversammlung auch von allen fundiert getroffen werden konnte, wurden seitens des WEG-Teams "Elektromobilität" Infotage abgehalten, in denen das Konzept mit umfangreichen Infoständen und Präsentation der Hardware (Wallboxen) vorgestellt wurde und jederzeit Fragen beantwortet wurden.
Die Beauftragung erfolgte dann Anfang 2023 - eine sehr kurze Spanne für Wohnungseigentümergemeinschaften insbesondere in dieser Größe. Das geht nur mit extrem guter Vorbereitung und Kommunikation auf Seiten der Hausverwaltung und der Beiräte/ treibenden Kräfte.
Man kann es sich vorstellen: Der Einbau der Ladeinfrastruktur für insgesamt 443 Stellplätze erfolgt nicht "über Nacht". Das Team von Elektro Weinl hat deshalb ab April 2023 zuerst mit den Arbeiten in der zentralen Stromversorgung begonnen. Im Anschluss wurde die Tiefgarage in mehrere Bauabschnitte unterteilt und so nach und nach alle Stellplätze verkabelt. Parallel wurden auch gleich die Wallboxen montiert, welche im Erstausbau gewünscht waren.
Schon während der Bauphase wurden einzelne Sektionen in Betrieb genommen. Die offizielle Übergabe erfolgte nach einer erfolgreichen Abnahme durch einen externen Sachverständigen Mitte September 2023, also nach nur ca. 4 Monaten Bauzeit. Auch wenn in den vorab in Betrieb genommenen Sektionen schon ein Laden möglich war - ab diesem Zeitpunkt war es offiziell möglich.